Weiter durch die Nullarbor Wüste
In der Nullarbor Plain radelten wir an Gebieten vorbei, in denen es zuvor verheerende Buschbrände gab. Doch wir hatten Glück, denn nur wenige Wochen bevor wir mit unseren Rädern starteten, war der Eyre Highway aufgrund der Feuer für 12 Tage gesperrt. Vom Highway aus konnten wir nun die kläglichen Überreste der abgebrannten Büsche und Bäume sehen. Noch immer loderten in der Ferne einige Feuer. Kam starker Wind auf, dann war die Luft Rauch- und Sanderfüllt.
LET‘S ROCK!!!
In der Nullarbor Plain schrieb die Rockband AC/DC, die hier im Tourbus unterwegs war,
den Song „Highway to Hell“.
Die längste gerade Straße Australiens
Erst zum Sonnenuntergang erreichten wir die längste gerade Straße Australiens. Der 146,6 Kilometerlange Abschnitt auf dem Eyre Highway befindet sich zwischen Balladonia und Caiguna und ist eines der Highlights auf der Route durch die Nullarbor Plain.
Im letzten Sonnenlicht schossen wir vor dem Schild noch einige Fotos, bevor wir schließlich bis in die Dunkelheit hinein zu einem Rastplatz radelten, wo wir nach rund 140 geradelten Kilometern knülle unser Nachtlager aufschlugen. An diesem Abend spachtelten wir nur noch tütenweise Gummibärchen in uns hinein und fielen gegen 21.30 Uhr laut schnarchend auf unsere Matten.
Am nächsten Tag klingelte schon um 3.30 Uhr in der Früh wieder der Wecker. Müde quälten wir uns aus den Federn und schwangen uns noch vor Sonnenaufgang wieder auf die Räder. Den gesamten Tag pedalten wir weiter auf dem „Highway to Hell“, der längsten geraden Straße der Welt entlang.
Einige Teile des Eyre Highway dienen aufgrund der Abgelegenheit anderer
Landemöglichkeiten als Notlandebahn für den Royal Flying Doctor Service of Australia.
Wind und Wetter...
Fast auf der gesamten Strecke durch die Nullarbor Plain kam der Wind aus Ost oder Südost und wehte uns so gut wie immer in die Fresse. Vor der Tour hatten wir gut recherchiert und da wir gelesen hatten, dass der Wind auf dem überwiegenden Teil der Route in der Regel aus West oder Südwest weht, starteten wir in Perth und nicht in umgekehrter Richtung in Adelaide.
Noch immer hören wir die Stimme des netten älteren Herren auf dem Flughafen in Adelaide in unseren Ohren klingen, der uns in unserem Vorhaben bestätigte und meinte das wir alles richtig machen, denn zu 80 Prozent würde der Wind aus Westen wehen. Super! Wir klopften uns also auf die Schultern.
Doch wie immer kam es wie es kommen musste und ganz anders als erhofft...
Es war einfach zum Verzweifeln! Wir fluchten täglich was das Zeug hielt, doch der Wind wollte einfach nicht drehen. Und so kurbelten wir bis auf wenige Stunden auf der gesamten 3100 Kilometer langen Strecke unermüdlich gegen Wind. Alle Erinnerungen an Patagonien waren wieder präsent. Der Wind war unglaublich nervenaufreibend, kräftezehrend und laut. Er brachte uns streckenweise an physische und psychische Grenzen. Der permanente Kampf gegen den Sturm ging extrem auf die Gelenke. Wieder schmerzten höllisch die Knie (bei Nadine) und die Handgelenke (bei Elli). Wenn dann noch Berge und lange Anstiege auf dem Programm standen, waren die Tage zäh und unendlich lang. Da lagen die Nerven schon mal blank...
Die Strecke von West nach Ost durch die Nullarbor Plain blieb hügelig und war nur selten flach. In der Wüste war es jedoch nicht so heiß wie zuvor angenommen. Meist lagen die Tageshöchsttemperaturen um die 25 bis 26 Grad. Also perfekt zum Radfahren. Die Nächte hingegen waren unerwartet mild, hatten wir sie doch in der Wüste viel kälter erwartet. Wenn wir um 5 Uhr morgens losradelten, dann trugen wir nur kurze Radhosen und Trägershirts. Extrem heiße Tage und große Hitze hatten wir nur vor und nach der Nullarbor Plain. Die Nächte in South Australia waren außerhalb der Wüste wiederum so kalt, dass wir morgens in Daunenjacken, langen Hosen, Mützen und Handschuhen losfuhren.
Wenn wir den Australiern vor unserer Tour von unserem Vorhaben mit dem Rad durch die Nullarbor Plain zu fahren erzählten, dann fragten sie meistens: Seid ihr verrückt? Mitten im Sommer? Wollt ihr sterben? Da ist NICHTS !!!
Doch das Gegenteil war der Fall! Denn die Landschaft in der Nullarbor Plain war wirklich alles andere als langweilig. Sie war einfach wundervoll, abwechslungsreich und viel viel grüner als wir zuvor dachten. Nullar Arbor (lat.) bedeutet so viel wie „kein Baum“, doch die Wüste bestand oft aus Wäldern, Bäumen und grünen Büschen. Und selbst im „NICHTS“ trafen wir immer wieder auf Kängurus, Dingos, Kakadus, Wombats und bunte Sittiche.
Aufgrund der weit auseinander liegenden Road-Häuser, in denen wir am Ende des Tages Wasser und eine erfrischende Dusche bekamen und meistens auch unser Zelt aufschlugen, waren Tagesetappen von 100 bis 140 Kilometer keine Seltenheit. Doch wenn die Entfernungen zwischen Road-Häusern so groß waren, dass wir am Tagesende keines von ihnen erreichen konnten, dann mussten wir genügend Wasser (7 bis 8 Liter pro Radmieze) mitnehmen und übernachteten dann irgendwo am Wegesrand oder auf einem Rastplatz in der Nähe des Highways.
Harte Tage
Auf der Tour hatte jede von uns mal gute und mal schlechte Tage. Auch ich (Nadine) hatte hier und da Probleme mit dem Kreislauf. Manchmal waren wir von den Tagen auf dem Rad so knülle, dass schon die kleinste Kleinigkeit uns blitzschnell auf die Palme brachte.
Bisher kannte ich Elli nur als sehr geduldige Frau, die so schnell nichts aus der Fassung bringen konnte. Eben der absolute Gemütsmensch und der der Fels in der Brandung den nichts umhaut. Doch unter diesen extremen körperlichen Strapazen gingen auch mit ihr so manches mal die Pferde durch. So zum Beispiel als wir das Roadhouse Border Village an der Grenze zu South Australia erreicht hatten. Nach einem langen kräftezehrenden Radtag mit Wind und Bergen, waren wir froh endlich angekommen zu sein. Wir brauchten lediglich nur noch das Zelt aufzustellen, um unter die wohlverdiente Dusche springen zu können. Doch dann stellte sich heraus das wieder einer der Reißverschlüsse des Innenzeltes defekt war und noch vor dem schlafen gehen repariert werden musste. Denn schließlich wollten wir in der Nacht keinen unliebsamen Besuch von irgendwelchen Tieren bekommen. Normalerweise war es an dieser Stelle eher mein Part aus dem Anzug zu springen, doch in diesem Fall flippte Elli regelrecht aus und schrie dabei über den ganzen Platz: “ So eine Schei.....sse..., ich hab die ganze Schei...sse hier satt und dieser Schei...ssss Wind!!! Schei....sssssseeeeee....!!!
So hatte ich Elli wirklich noch nie erlebt!!! Während sie sich dann langsam wieder beruhigte, schmunzelte ich in mich hinein und reparierte das Zelt. Irgendwann gingen wir dann endlich Duschen...
An dem Tag darauf waren wir dann wieder quitt, denn auch ich bekam einen Ausraster...
Die Strecke führte an diesem Tag am Meer entlang. Auf dem Abschnitt gab es kaum Sträucher oder Büsche. Der Wind hatte also freien Lauf und stürmte uns mit aller Macht entgegen. Um die Mittagszeit wurde es sonnig und extrem heiß. Nirgends gab es Schatten. Doch nach all der Schufterei war eine Pause am Wegesrand dringend nötig. Wir kauerten also neben dem Highway in der prallen Sonne und versuchten zu essen. Doch Millionen lästiger Fliegen gaben keine Ruhe und inspizierten unsere Augen, Nasenlöcher, Ohren und das Essen. Zudem stürzte durch den Wind mein Rad ständig um. Es kostete jedesmal unglaublich viel Kraft die schwer beladene Eisenkuh samt Gepäck wieder aufzurichten. Eigentlich wollten wir ja nur mal kurz entspannen, doch das war unter diesen Umständen kaum möglich. Nachdem das Rad dann zum dritten Mal umstürzte war es soweit. Ich (Nadine) brüllte wie ein Stier in der Gegend herum und trat dabei fluchend und mit voller Wucht gegen mein armes Rad. Genervt packten wir unseren Kram wieder zusammen und radelten wortlos weiter gegen den höllischen Wind.
Oft standen wir auf der gesamten Reise unter enormer körperlicher Anspannung und hatten uns deshalb mächtig in den Flicken. Doch tief im inneren wussten wir beide immer, dass wir uns trotz allem in den entscheidenden Momenten und wenn es wirklich darauf ankam, aufeinander verlassen konnten. Denn eines war klar: Weder Ilka noch ich hätten die Reise alleine durchgestanden!!! Nur gemeinsam waren wir stark!!!
Ein Geburtstag der anderen Art
Ellis 55sten Geburtstag verbrachten wir im Roadhouse Nullarbor. Aufgrund dieses feierlichen Anlasses legten wir einen Pausentag ein und gönnten uns ein sauteures Zimmer. Das Nullarbor Roadhouse befand sich wirklich mitten in der Einöde. Es klingelte also kein Telefon und es gingen auch keine Nachrichten ein. Niemand außer mir konnte Elli zum Geburtstag gratulieren, denn meilenweit gab es keinen Empfang. Wir steckten mitten in der Wüste. In der Nacht jaulten Dingos laut wie Wölfe und schlenderten am Tage auf der Suche nach einem Leckerbissen um das Roadhouse herum. Trotz der einfachen und skurrilen Gegebenheiten war der Tag wirklich toll. Wir hingen einfach mal faul ab, zeppten in der Flimmerkiste herum, futterten Eis, Burger mit Fritten und sahen uns Fotos der Reise an.
South Australia, 17. -19. Februar 2020
Verwöhnprogramm in Ceduna
Vom Nullarbor Roadhouse strampelten wir weiter in Richtung Ceduna. Die Kleinstadt war noch drei Tagesetappen entfernt, doch wir freuten uns schon riesig auf den ersten Supermarkt seit rund 1200 Kilometer. Auf dem Rad malten wir uns schon aus, was wir dort alles Einkaufen und Schlemmen würden.
Wir waren ziemlich knülle von der Tour. Und so war es auch in Ceduna nochmal an der Zeit einen Tag Pause einzulegen, um anschließend die restlichen 500 Kilometer auf dem Eyre Highway bis nach Port Augusta in Angriff zu nehmen.
Vor lauter Vorfreude waren wir an diesem Tag so motiviert, dass wir die 72 Kilometer von Penong nach Ceduna förmlich flogen und deshalb schon gegen 10.30 Uhr in der Kleinstadt eintrafen.
Doch bevor wir uns in Ceduna nach einer Unterkunft umsehen wollten, beschlossen wir uns erstmal in einem Café niederzulassen, um dort ein deftiges Frühstück bestehend aus Eiern, Toast, Schinken und Kaffee zu uns zu nehmen. Nachdem wir bestellt hatten nahmen wir Platz. An dem Tisch neben uns saßen vier ältere Frauen, die sich angeregt unterhielten. Interessiert fragte uns eine von ihnen, wo wir denn herkämen und wo wir hin wollten. Wir plauderten mit ihr bis unser Frühstück serviert wurde.
Als die vier Damen dann schließlich gehen wollten verabschiedeten wir uns und wünschten ihnen einen schönen Tag. Daraufhin fragte uns die nette interessierte Dame, wie lange wir denn in Ceduna bleiben wollten und wo wir denn unterkämen. Wir antworteten: „Zwei Nächte“ und das wir uns nach dem Frühstück auf die Suche nach einem Zimmer machen wollten. Daraufhin lud uns sie uns spontan zu sich nach hause ein. Wie sie erzählte war ihre Tochter gerade in Neuseeland. Wir könnten also in ihrem Zimmer schlafen und hätten sogar ein eigenes Bad.
Wir Radmiezen grinsten uns über beide Backen an. Während sich die nette Frau mit dem Namen Marls von ihren drei Freundinnen verabschiedete, mussten wir nicht lange überlegen und willigten ein. Was hatten wir doch wieder für ein Glück und wie nett und aufgeschlossen waren doch die Menschen in Australien.
Marls eskortierte uns mit ihrem Wagen zu ihrem Haus, welches circa 2 Kilometer vom Café entfernt war und direkt am Meer lag. Im Haus stellte Marls uns dann ihren netten Mann John vor. Er nahm’s gelassen und war nicht wirklich davon beeindruckt, dass seine Frau spontan Gäste mitbrachte. Nach der Begrüßung verkrümelte sich John wieder entspannt in sein Büro.
Marls machte mit uns einen Rundgang durch das riesige Haus, welches im gemütlichen Landhausstil eingerichtet war und führte uns durch den Garten in dem es viele Obstbäume (Feigen, Zitronen, Orangen) und Weinstöcke gab. Alles stand in voller Pracht und Reife. Wir bekamen Weintrauben und Feigen in die Hand gedrückt. Von der großen Terrasse aus hatte man einen herrlichen Blick über das weite Meer. Wiedermal konnten wir unser Glück kaum fassen und kicherten vor uns hin. Nachdem wir unser Gepäck abgeladen hatten, sprangen wir erstmal unter die Dusche. Als wir dann geschniegelt und erfrischt aus dem Zimmer kamen, wurde auch schon das Lunch serviert. Zusammen mit Marls und John saßen wir an dem Tisch in der riesigen Wohnküche und wurden mit Salat und Hühnchen verwöhnt. Nach all dem Dosenfutter und dem drögen Zeug aus den Radtaschen, waren die frischen Zutaten für uns nun eine absolute Gaumenfreude und eine wahre Geschmacksexplosion.
Wann immer wir zu Fuß oder mit dem Rad den kurzen Weg in die Stadt zum Supermarkt machen wollten, ließ Marls es sich nicht nehmen uns mit dem Wagen zu fahren. Wenn wir schließlich alles eingekauft hatten, dann holte sie uns wieder ab. Es war einfach verrückt. Marls und John verwöhnten uns rund um die Uhr.
Auch am Abend wurden wir wieder köstlich bekocht. Zum Einstieg schlürften wir Austern mit Ingwer und Wasabi (es waren die ersten Austern in unserem Leben) und anschließend wurden Schweinesteaks vom BBQ-Grill mit Kartoffelbrei, Gemüse und Soße serviert. Zum Dessert wurden wir schließlich noch mit Eis und Früchten aus dem eigenen Garten gemästet. Noch lange saßen wir an diesem Abend gemütlich beisammen, während Marls (74) und John (78) von ihren vier Kindern und den vielen Enkeln erzählten. Wie sie berichteten war der älteste Sohn 48 und die jüngste Tochter 34. Früher waren Marls und John Farmer, doch inzwischen hatte der älteste Sohn mit seiner Familie die Farm in Penong übernommen und züchtete darauf Schafe und baute Weizen an.
Am nächsten Tag zeigte Marls uns ein wenig die Umgebung von Ceduna. Wieder wurden wir maßlos verwöhnt. Zum Lunch gab es erneut frische Austern und riesige Krabben. Marls und John zeigten uns wie man Krabben säubert, zubereitet, knackt und isst. Eine schöne Sauerei war das und ein etwas kompliziertes Essen, doch geschmeckt hat es wirklich hervorragend.
Nach diesem Lazy Day saßen wir am Abend alle gemeinsam wie Familie vor der Flimmerkiste und zogen uns eine spannende Dokumentation über den Stuart Highway, den wir Radmiezen einige Monate zuvor komplett entlanggekurbelt waren, rein. Es war toll das alles nochmal auf dem Bildschirm zu sehen. Was für ein Abenteuer...
Als wir am nächsten Morgen gegen 6.00 Uhr in der Früh und noch vor Sonnenaufgang startklar waren, standen Marls und John extra auf, um uns gebührend zu verabschieden. Kopfschüttelnd blickten sie im Morgenmantel und mit noch müden Augen auf unsere schwer beladenen Räder. Wir lachten und schlossen die beiden zum Abschied herzlich in unsere Arme. Wir bedankten uns bei diesen außergewöhnlichen liebevollen Menschen, die uns wie ihre eigenen Kinder behandelten. Dann radelten wir in die Dunkelheit hinein und dem Morgengrauen entgegen...
South Australia, 19. - 22. Februar 2020
Körperliche Grenzen
Von Ceduna bis zu unserem Ziel Port Augusta, trennten uns nur noch 500 Kilometer. Innerhalb der letzten viereinhalb Wochen waren wir circa 2700 Kilometer bei Wind, Hitze und permanenter Sonneneinstrahlung geradelt. Da war es also kein Wunder, dass wir uns trotz eingelegter Pausentage inzwischen ausgepowert, kraftlos und unendlich müde fühlten. Wir stießen an unsere körperlichen und auch psychischen Grenzen.
Als wir uns am 21.Februar zwischen Wudinna und Kimba befanden, waren es bis Port Augusta nur noch schlappe 200 Kilometer. Doch zu diesem Zeitpunkt und in unserem Zustand schien die Stadt unerreichbar.
An diesem Tag starteten wir wieder in aller Herrgottsfrühe. Doch schon um 5.00 Uhr morgens blies uns der Wind mit aller Kraft entgegen. Noch dazu war die Strecke ziemlich anspruchsvoll, denn es ging pausenlos auf und ab und lange Anstiege mussten erklommen werden. Der Wind dröhnte laut in unseren Ohren.
Ich fuhr voran damit Elli in meinem Windschatten fahren konnte. Doch gegen Mittag sah ich immer wieder verärgert in den Rückspiegel, denn Elli eierte nur noch unkonzentriert und in einigen Abstand hinter mir umher. Wir kämpften also beide sinnlos gegen den Wind und verpulverten unsere letzten Reserven. Ich sah mir das ganze noch eine Weile an bis mir der Kragen platzte und ich sie anblaffte. Sie blaffte zurück: „Lass mich in Ruhe! Ich bin fix und fertig! Und ich schrie: „Na deshalb sollst du ja auch meinem Windschatten suchen!!!“ Wir warfen uns noch einige schöne Dinge an den Kopf, bis ich dann schließlich Gas gab und einige hundert Meter vorausradelte. Ich war sauer, doch ich hatte auch ein schlechtes Gewissen, weil ich sie in diesem verfluchten Wind nun ganz alleine ließ. Nach gut 20 Kilometer im Alleingang fuhr ich links ran und warte. Als Elli dann eintraf saßen wir einfach nur still da und aßen etwas bevor wir missgelaunt weiterradelten.
Wieder ging es lange und ermüdende Anstiege hinauf. Obwohl auch ich inzwischen langsam wie eine Schnecke war, fiel Elli hinter mir weit ab. Auf dem Gipfel eines Berges wartete ich erneut. Als Elli dann eintraf brach sie plötzlich in Tränen aus und schrie: „Ich bin fertig!!! Ich kann einfach nicht mehr!!! Ich war erschrocken sie so aufgelöst zu sehen. Zu diesem Zeitpunkt waren es nur noch läppische 170 Kilometer bis Port Augusta und nur 14 Kilometer bis zu unserem Tagesziel. Wir konnten doch wirklich stolz auf uns sein! Ich versuchte Elli also irgendwie zu motivieren und kramte die unsere letzte Wunderwaffe, ein Powergel, aus der Tasche. Das Zeug wirkte anschließend Wunder! Gemeinsam radelten wir weiter und erreichten am Ende doch noch lachend unser Ziel.
South Australia, 22. Februar 2020
Das Ziel
Mit dem greifbaren Ziel vor Augen, mobilisierten wir nochmal alle Kräfte. Hoch motiviert und gut gelaunt starteten wir am 22. Februar 2020 wieder gegen 5.00 Uhr morgens in der Dunkelheit mit unseren Rädern. Ganze 156 Kilometer standen an diesem Tag auf dem Programm. Wir einigten uns jedoch erstmal darauf 100 Kilometer zu Radeln, um zu sehen wie wir uns dann fühlen würden. Vielleicht müssten wir ja doch nochmal irgendwo das Zelt für eine Nacht aufschlagen.
Doch alles lief super. Schon früh am Tag war klar, dass wir es bis zum Abend nach Port Augusta schaffen würden. Die Sonne schien vom blauen Himmel und wir waren voller Zuversicht und Euphorie. Alle Krokodilstränen und Streitereien vom Vortag waren vergessen. Wir traten kräftig in die Pedalen und hörten dabei laut Musik. Nichts und niemand sollte uns an diesem grandiosen Tag aufhalten können. Zwischendurch machten wir Pause am Straßenrand und mampften die letzten Vorräte.
Im Laufe des Tages änderte sich um uns herum immer wieder die Landschaft. Fuhren wir am Morgen noch durch dichte grüne Wälder, so radelten wir zur Mittagszeit durch eine wüstenartige Landschaft mit tief roter, terrakottafarbener Erde. Die Fahrt führte vorbei an dem kleinen Ort Iron Knob und den Minen der Iron Stone Hills (Eisensteinberge). Nach rund 120 geradelten Kilometern erreichten wir am Nachmittag schließlich noch das Pandurra Nuttbush Retreat. Das Gelände der alten und historischen Schaf-Farm sah schon aus der Ferne so interessant und einladend aus, dass wir spontan entschieden hier nochmal eine kleine Pause einzulegen. In dem urigen Café, das in vergangenen Zeiten als Wollschuppen und Schafscherer-Quartier diente, wurden wir von der Hausherrin so nett empfangen, dass wir uns den hausgemachten Carott-Cake (Karotten-Kuchen) einfach nicht entgehen lassen konnten.
Als wir dann gut gestärkt und beschwingt wieder auf unsere Räder hüpften war Endspurt angesagt. Wir waren so aufgeregt, stolz und aus dem Häuschen, dass wir auf den letzten 36 Kilometern permanent kreischten und regelrecht abfeierten. Wir waren voller Adrenalin und Gefühle. Wir hatten es wirklich geschafft.
Als wir das das Ortseingangsschild von Port Augusta erreichten, stiegen wir jubelnd von unseren Rädern und hielten diesen unvergesslichen Moment mit der Kamera fest.
Am 22. Februar 2020 erreichten wir jubelnd die Stadt Port Augusta (South Australia).
Von Perth (Western Australia) bis Port Augusta (South Australia) waren wir insgesamt 3101 Kilometer geradelt und 38 Tage unterwegs.
Das Finale der „Tour de Miez“ und der große Traum von den 25.000 Kilometern
Viele von euch werden sich nun fragen: Haben die beiden Radmiezen denn noch immer nicht genug??? Die Antwort lautet: NEIN HABEN SIE NICHT !!!
Sicherlich wir haben auf unserer Reise inzwischen so viel gesehen und erlebt, dass wir noch ein Leben lang davon erzählen werden.
Doch schon lange bevor wir uns in das Abenteuer unseres Lebens stürzten, da hatten wir einen Traum: Mit dem Fahrrad von Alaska nach Feuerland auf insgesamt 25.000 Kilometern.
25.000 Kilometer... Diese Zahl war für uns beide unfassbar abstrakt!
Immer wieder fragten wir uns, ob wir wirklich in der Lage wären diese enorme Distanz innerhalb von zwei Jahren mit allen Höhen und Tiefen zu bewältigen und zurückzulegen.
In uns war nicht nur die Sehnsucht nach Abenteuer und Freiheit, sondern auch der sportliche Ehrgeiz geweckt.
Doch wie so oft im Leben, kam auch auf unserer Reise vieles anders als gedacht...
Auf dem amerikanischen Kontinent kapitulierten wir rechtzeitig vor den Anden und entschieden auch aus Sicherheitsgründen die Reiseroute drastisch zu ändern, damit wir nicht permanent um unser Leben fürchten mussten. Wir flogen also nach Australien. Eine weise Entscheidung, die wir auch bis heute nicht bereuen !!!
Doch der Traum von den 25.000 Kilometern auf dem Rad blieb in unseren Köpfen.
Inzwischen sind wir diesem Ziel so unglaublich nah, dass wir es selbst kaum glauben können.
Auf unserer persönlichen Reise nach Mekka haben wir also noch eine letzte Mission:
25.000 Kilometer :)