Berlin - Alaska

Vorbereitung in Berlin und Start der Fahrradweltreise in Alaska

(Mai - Juni 2018)

Berlin - (05.06.2018)

 

Abschied von der Heimat

 

Am Morgen des 05. Juni 2018 war es endlich soweit. Es war der Tag an dem unser großes, zweijähriges Abenteuer begann. Doch zu diesem Zeitpunkt fühlten wir uns alles andere als abenteuerlustig, denn von der wochenlangen, intensiven Vorbereitung, waren wir ziemlich ausgepowert und hundemüde.Wir hatten unsere Drahtesel noch nicht einmal bestiegen, doch unsere Nerven lagen schon blank. In zahlreichen Nächten vor unserem Abflug hatten wir kaum mehr geschlafen. So vieles musste vor der Abreise noch geklärt und erledigt werden. Bis zur letzten Minute waren wir mit dem Organisieren diverser Dinge beschäftigt. An alles musste gedacht werden, denn aus der Ferne würden sich viele, vor allem bürokratische Dinge, nicht mehr so einfach regeln lassen. Um diesen Organisationsmarathon neben der Arbeit irgendwie bewältigen zu können, entwickelten wir uns zu regelrechten Schluckspechten. Zu Hause flossen Prosecco und Wein in Strömen. In den letzten stressigen Monaten vor unserer Reise, wurden sie leider zu Balsam für unsere Seelen. Eine Fastenkur die wirklich nicht zu empfehlen ist!

Blass, müde und von dem Stress der letzten Wochen gezeichnet, verabschiedeten wir uns am Morgen des 05. Juni von unseren Familien, Freunden und Nachbarn. Wir bekamen jede Menge kleiner Glücksbringer und Maskottchen mit auf den Weg, die dann entweder unsere Räder schmückten oder in unser Gepäck wanderten, denn für das Abenteuer unseres Lebens, konnten wir schließlich alles Glück der Welt gebrauchen. Mit dem Start der Reise begann auch die Ungewissheit. Tausend Fragen gingen uns durch den Kopf: Hatten wir an alles gedacht? Würden wir nach zwei Jahren gesund und unbeschadet wieder zurück in die Heimat kehren? Was würden wir unterwegs alles erleben? Zwei Frauen allein unterwegs..., konnte das nicht zum Verhängnis werden? Wo würden wir all die Nächte verbringen? Würden wir uns fürchten oder sogar Heimweh haben? Was wenn eine von uns einen Unfall hätte oder irgendwo im Nirgendwo schwer krank werden würde? Könnten wir Mädels uns ganze zwei jahrelang und vierundzwanzig Stunden am Tag ertragen oder würden wir uns unterwegs die Augen auskratzen und sogar trennen? Und würden wir es mit dem Fahrrad tatsächlich von Alaska bis nach Feuerland schaffen? Fragen über Fragen, auf die es keine Antwort gab...

Happy Radmiezen!!!

Hier holten wir gerade unsere nagelneuen Velotraum Reiseräder bei Velophil in Berlin ab.

Jetzt konnte das Abenteuer beginnen!

Berlin - (Mai 2018)

 

Reisevorbereitungen

 

Für unseren Start durch die USA benötigten wir eine Aufenthaltsgenehmigung. Wir mussten uns daher entscheiden, ob wir ein Visum beantragen oder mit einem ESTA in die USA einreisen wollten. (Ein ESTA ist eine digitale Einreisegenehmigung, mit der man ohne Visum in die USA Einreisen kann). Wir recherchierten dazu im Internet und lasen auf der Seite des Auswärtiges Amt folgendes: Auszug der Einreisebestimmungen in die USA: „Ein ESTA ist ab dem Zeitpunkt der Erteilung zwei Jahre gültig. Während dieser Gültigkeitsdauer dürfen Sie in die Vereinigten Staaten einreisen so oft Sie wollen, sowohl zu touristischen als auch zu geschäftlichen Zwecken. Jeder einzelne Aufenthalt darf jedoch höchstens 90 aufeinander folgende Tage dauern. Ein Visum für die USA müssen Sie nur beantragen, wenn Sie länger als 90 Tage hintereinander

in den Vereinigten Staaten bleiben wollen. Bei Ihrer Einreise in die USA müssen Sie bereits im Besitz eines Tickets für Ihre Rück- oder Weiterreise sein.“

Für uns hieß das soviel wie: „Klasse! Das ESTA reicht also aus. Ein Visum für die USA müssen wir nicht beantragen, denn länger als 90 Tage hintereinander wollen wir in den Staaten ja sowieso nicht bleiben!“ Unser Plan sah vor, die Reise mit dem Fahrrad in Alaska zu beginnen. Wir wollten uns dort sozusagen erstmal warm radeln. Spätestens vor Ablauf der 90 Tage wollten wir aus den USA Ausreisen und nach Kanada Einreisen, um anschließend weiter durch den Yukon und British Columbia bis zur erneuten Grenze der USA und dem Bundesstaat Washington zu radeln. Mit ein bisschen Glück würden wir ein weiteres Mal in die Staaten einreisen können und nochmal satte 90 Tage für die Tour entlang der Westküste der USA zur Verfügung bekommen. Lediglich ein Rück- oder Weiterreiseticket müssten wir vorweisen können. Zumindest hatten wir es so verstanden...

Wir zwei gewieften Radmiezen buchten deshalb schon von zu Hause aus einen günstigen Flug, der uns vor Ablauf des zweiten neunzigtägigen Aufenthalts in den USA, offiziell von Los Angeles nach Mexiko City bringen sollte. Doch natürlich hatten wir nicht wirklich vor, diesen Flug anzutreten, denn schließlich wollten wir ja nicht schummeln und die gesamte Strecke von Alaska nach Feuerland mit dem Fahrrad bewältigen! Die Flugtickets nach Mexiko sollten lediglich als Nachweis für unsere Ausreise dienen.

Abschied von Freunden und Familie in Berlin (2018)

Von Berlin nach Alaska - (05. Juni 2018)

 

Radprofis, die erste...

 

Als wir am 05. Juni 2018 von Berlin nach Anchorage flogen, mussten wir zunächst am Großflughafen in Frankfurt am Main umsteigen. Dort geschah dann folgendes:

Das Boarding für den Flug mit der Lufthansa-Maschine LH185, die uns samt Fahrräder von Frankfurt nach Alaska bringen sollte, hatte bereits begonnen. Aufgeregt stellten wir uns in die Menschenschlange und hielten dabei Pässe und Flugtickets bereit. Während wir da nun so standen und sich so langsam Vorfreude in uns breit machte, kam eine kleine unscheinbare Beamtin zielstrebig auf uns zu. Sie stellte uns einige Fragen zu unserem ESTA (digitale Einreisegenehmigung). Wie lange wollen sie in den USA bleiben? Was wollen Sie in den Staaten machen? Wann reisen Sie wieder aus den USA aus? Uns war nicht ganz klar, ob die Dame zur Fluggesellschaft gehörte oder aber von der Einwanderungsbehörde war. Nichts schlimmes ahnend, beantworteten wir frei von der Leber weg ihre Fragen und erzählten einfach, dass wir beide ein Sabbatical über zwei Jahre hätten, eine lange Reise mit dem Fahrrad geplant hatten

und dafür genau zweimal in die USA einreisen mussten. Freudestrahlend hielten wir der Beamtin dazu unsere Flugtickets für die Ausreise aus den USA unter die Nase. Der Flug von Los Angeles nach Mexiko City war auf den 30.08.2018 datiert. Daraufhin fragte uns die Beamtin: „Wie lange wollen Sie in Mexiko bleiben?“ Stotternd antworteten wir: „Ähh... Keine Ahnung...?“ Und wieso stellte uns diese merkwürdige Frau überhaupt diese Frage zu Mexiko, wir wollten doch schließlich erst einmal in die Staaten!

Die zunehmend unfreundlicher werdende Beamtin, erklärte uns nun barsch, dass Kanada, Mexiko und die Karibikinseln von den USA nicht als Ausreise-Länder anerkannt werden. Wir schauten uns entsetzt an und fragten: „Wie jetzt???“

Nun stellte sich also heraus, dass wir Radmiezen bei unseren Recherchen zu den Einreisebestimmungen der USA, scheinbar einen entscheidenden Satz übersehen hatten:

Auszug der Einreisebestimmungen in die USA:

„Ein zwischenzeitlicher oder anschließender Aufenthalt in Kanada, Mexiko oder auf einer Insel der Karibik wird in diesem Zeitraum von 90 Tagen einbezogen.“

Ein Lapsus, der uns am Frankfurter Flughafen nun teuer zu stehen kam... Die bissige Beamtin holte eine ihrer Kolleginnen zur Hilfe. Auch Sie bestätigte nun, dass wir ein alternatives Flugticket zur Ausreise aus den USA benötigten, dass ein anderes Ziel als Kanada, Mexiko oder die Karibikinseln haben musste. Wir wurden blass. Die beiden Damen gaben uns folgenden Tipp: „Buchen Sie ganz schnell anderen einen Flug für die Ausreise aus den USA, z.B. nach Brasilien, sonst können sie jetzt nicht mitfliegen!!! Uns wurde schlecht und Schweißperlen fanden den Weg auf die Stirn. Das Boarding der Passagiere für den Flug nach Anchorage war schon längst im Gange. Wir hatten jedoch keine andere Wahl. Uns blieb nichts anderes übrig, als in Windeseile unsere Handys herauskamen, uns in das WLAN des Flughafens einzuloggen, um blitzschnell irgendeinen Flug für die Ausreise aus den USA zu buchen. Doch es war zum verzweifeln... Auf dem Flughafen war die Verbindung zum Netzwerk so extrem schwach, dass sich die Seiten des Internets nur in Zeitlupe öffneten. Noch dazu fanden wir auf die Schnelle keinen Flug zum passenden Datum, der von den USA nach Rio de Janeiro ging. Alternativ gaben wir San José, die Hauptstadt von Costa Rica ein. Bingo! Als Ilka dann hektisch die Details für die Flugbuchung auf der Tastatur ihres Handys eingab, zitterten ihre Hände wie Espenlaub. Noch nie zuvor hatte ich so etwas bei jemanden gesehen. Wir beide standen unter höchster Anspannung. Allmählich rannte uns die Zeit davon. Außer uns befanden sich bereits alle anderen Passagiere für den Flug nach Anchorage in der Maschine. Die Angestellten der Lufthansa fragten indessen die strenge Beamte: „Sollen wir das Gepäck der zwei Damen wieder auschecken?“ Die Beamtin sah uns an und fragte: „Ladys, wie weit sind Sie?“ Wie durch ein Wunder wurde unsere Buchung für den Flug nach San José, genau in diesem Moment bestätigt. Es war

unglaublich! Schweißgebadet hielten wir der Beamtin also das Ergebnis unter die Nase. Doch die sagte nur trocken: „San José??? San José liegt in Kalifornien meine Damen und das Datum ihrer Ausreise ist einen Tag zu spät! Sie können also nicht mitfliegen!“

Wir guckten sie entsetzt an und sahen fassungslos all unsere Felle davonschwimmen. Den Tränen nahe, waren wir kurz vorm losheulen. Aufgelöst erklärten wir der blöden Kuh frustriert, dass wir soeben für satte 400,- Euro einen Flug in die Hauptstadt Costa Ricas und nicht nach Kalifornien gebucht hatten! Und ja, wir hatten uns in der Eile tatsächlich um einen Tag geirrt und würden damit 24 Stunden zu spät aus den USA ausreisen. Für uns war die Sache nun scheinbar gelaufen...

Doch dann geschah das Unmögliche! Die eiserne Beamtin fasste sich im allerletzten Moment ein Herz und sagte: „O.K. Ladys, Sie dürfen mitfliegen. Doch Beten Sie zu Gott, dass sie in den USA nicht noch einmal kontrolliert werden!!!“ Nach diesen motivierenden Worten stiegen verschwitzt und fix und fertig in die Lufthansa-Maschine. Während des gesamten Langstreckenfluges nach Anchorage, machten wir jedoch kein Auge zu, denn die Angst vor den

vermutlich noch strengeren Grenzbeamten in den USA und einer Ablehnung unserer Einreise, war groß. Zu all dem Stress, den wir im Vorfeld der Reise schon hatten, war das albtraumhafte Erlebnis vom Frankfurter Flughafen sozusagen noch das i-Tüpfelchen das dazu führte, dass Ilka noch Wochen später über starke Herzschmerzen klagte und kaum etwas essen konnte.

Als sich die Maschine nach rund 16 Stunden im Landeanflug auf Anchorage befand, sahen wir müde aus dem Fenster. In der Ferne erblickten wir den Denali, den höchsten Berg Nordamerikas (von 1917 bis 2015 offiziell Mount McKinley), der mit seinen 6190 Metern majestätisch empor ragte. Die Nachmittagssonne tauchte ihn in ein wunderschönes orangefarbenes Licht. Wir gerieten jedoch allmählich in Panik, denn so weit das Auge reichte sahen wir nur schneebedeckte Berge. Wie um Himmels Willen sollten wir hier mit all unserem Gepäck Radfahren? Was wenn

wir es nicht schaffen würden? Wo würden wir dann zwei Jahre lang abhängen? Wir schluckten. Was hatten wir uns nur dabei gedacht, solch eine verrückte Reise machen zu wollen?

In der Tat war es für uns die erste große Radreise und natürlich musste es dafür auch gleich die große Tour von Alaska nach Feuerland, mit rund 32.000 Kilometer sein...

Alaska

Die letzte Wildnis 

(05.-25. Juni 2018)

Alaska/USA - (05. Juni 2018)

 

Ankunft in Anchorage

 

Am Nachmittag des 05. Juni 2018 landeten wir mit Muffensausen auf dem International Airport in Anchorage (Alaska). Mit Angst im Bauch begaben wir uns nun zur Einreisekontrolle. Anders als befürchtet, lief dort jedoch alles sehr gemächlich und entspannt ab. Der gelangweilte Grenzbeamte fragte uns nur, was wir in Alaska machen wollten und drückte nach unserer Antwort seinen Stempel in unsere Reisepässe. Da standen wir nun, übermüdet, mit kleinen Augen und endlich auf amerikanischen Boden. Wir hatten es also geschafft. Das erste Hindernis unserer Reise war überwunden. Doch nun standen wir auch schon vor dem nächsten großen Problem, denn anders als geplant hatten wir für die rund 7000 Kilometer die zwischen Alaska und der mexikanischen Grenze lagen, nur insgesamt 90 Tage Zeit. Mit den Rädern und dem ganzen Gepäck, erschien uns das unmöglich zu sein. Noch auf dem Flughafen in Anchorage, bauten wir unsere zerlegten Fahrräder wieder zusammen. Als wir dann irgendwann startklar waren, traten wir neugierig vor die Tür. Draußen war alles ruhig. Kein Mensch war zu sehen. Der Himmel hing voller grauer Wolken und die Luft war kühl. Wir atmeten tief durch. Daraufhin liefen wir mit unseren Rädern ein Stück die Straße hinunter und suchten einen geeigneten Platz für ein erstes Erinnerungsfoto. Ganz wie bestellt kam zufällig ein Pilot des Weges. Wir ergriffen sogleich die Chance und fragten ihn, ob er ein Bild von uns, mit der US-amerikanischen Flagge im Hintergrund machen könnte. Der Pilot war nett und fragte, wo wir denn mit den Fahrrädern hinwollten? Großspurig antworteten wir: „Nach Ushuaia in Argentinien!“, während wir dabei breit und über beide Backen grinsten. Er sah er uns ungläubig an. Doch dann fragte er lachend, ob er auch mit seinem Handy ein Foto von uns machen dürfte. Wir verabschiedeten uns von dem netten Kerl und setzten uns auf die schwer beladenen Räder. Vorsichtig testeten wir das neue und äußerst ungewohnte Fahrgefühl, während wir zum „Base Camp-Hostel“ in die Stadt radelten.

Unser Start in Anchorage Alaska. Es folgten schöne, jedoch harte Tage auf dem Rad.

USA - Alaska (10. Juni 2018)

 

Harte Tage

 

Inzwischen saßen wir seit dem Start unserer Reise schon einige Tage im Sattel. Wenn wir jetzt morgens erwachten, erkannten wir uns allerdings selbst kaum wieder. Täglich taumelten wir nun mit geschwollenen Augen und schmerzenden Muskeln aus dem Zelt heraus. An Konversation war nicht zu denken. Damit wir das Licht der Welt überhaupt wieder erblicken konnten, musste erst einmal ein starker Kaffee her. Erst nach dem Frühstück kamen wir so langsam wieder in Gang. 

 

Kaum auf dem Rad, hatte ich (Nadine) dann allerdings gleich schon wieder Hunger. Ganz im Gegenteil zu Elli, die durch die Strapazen eher ungewöhnlich appetitlos wurde, konnte ich täglich einen ganzen Bären auffressen. Mein Körper wurde durch das Radfahren zur reinsten Verbrennungsmaschine. 

Meist radelten wir auf einsamen Highways durch Alaska.

USA - Alaska (11. Juni 2018)

 

Elektrolyte am Straßenrand 

 

Als wir an diesem Tag gleich nach dem Frühstück aufbrachen, ging es sozusagen zum Warm Up gleich mal einen langen Anstieg hinauf. Auf dem „Gipfel“ des Berges ankommen, entdeckten wir am Straßenrand eine Dose Bier an der ein Zettel hing und auf dem geschrieben stand: Cyclist you earned this! (Radfahrer du hast es dir verdient!) Der Radtag auf dem Alaka-Highway fing also schon super an...Wir tranken das Bier jedoch erst am Abend und auf das Wohl des edlen Spenders.

 Elektrolyte am Straßenrand. „Cyclist you earned this“!!! PROST... :)
„I‘ve seen the morning in the mountains of alaska...“ , „And I‘m far far away...“ (Slade)
Einsamkeit und Wildnis pur... 
Wunderschöne Landschaften entlang der Highways...
Tiefe, dunkle Wälder und glasklare Seen. Alaska ist wild und schön.

USA - Alaska (Juni 2018)

 

Bären und Elche 

 

Die Landschaft in Alaska war einfach wundervoll. Oft waren wir umgeben von schneebedeckten Bergen, wilden Flüssen und dichten, dunklen Tannenwäldern und immer wieder begegneten uns am Rande des Highways große Elche. 

 

Als wir eines Nachmittags bei Regen auf dem ruhigen und wenig befahrenen Alaska Highway dahinradelten, begegneten wir plötzlich einem Schwarzbären. Vor lauter Schreck gingen wir in die Eisen und machten eine Vollbremsung. Aus sicherer Entfernung beobachteten wir das Tier, dass vor uns auf der Fahrbahn stand. Als dann ein Auto vorbeifuhr, verschwand der Bär wieder im Wald. Etwas ängstlich kramten wir daraufhin unser Bärenspray und die Glöckchen aus der Tasche und klingelten uns von nun an durch die Gegend, um die Bären auf uns aufmerksam zu machen und sie vor uns zu warnen.

Immer wieder begegneten uns in Alaska riesige Elche und Schwarzbären.
 
Hier und da ließen wir uns in Alaska einen Bären aufbinden. Mal echt und mal unecht...

USA - Alaska (12. Juni 2018)

 

Berge, Wind und Eisenbahn 

 

An diesem Tag lag eine Pass-Überquerung mit einer Höhe von 2295m vor uns. Wir strampelten und keuchten stundenlang mit brennenden Oberschenkeln die Straße und Berge nach oben, bis wir die Baumgrenze hinter uns gelassen und das Hochplateau erreicht hatten. Dort angekommen blies uns ein starker, eisiger und kalter Wind um die Ohren. Wir hatten alle Mühe voranzukommen. Die Kilometer zogen sich in dem eisigen Gegenwind in die Länge und wir waren deshalb heilfroh als wir das Ende des Plateaus erreichten. Von dort an ging es endlich wieder bergab und viele Höhenmeter hinunter. 

Oft verlief die Strecke des Alaska Highways parallel zur legendären Alaska Railway. Immer wieder kreuzte die nostalgische und imposante Eisenbahn unseren Weg. Als ein Zug ganz in der Nähe des Highway zum stehen kam, radelten wir schnell zu ihm hinüber, denn wir wollten ihn bestaunen und fotografieren. 

Als wir mit unseren beladenen Rädern vor den Wagons der schicken Eisenbahn standen, sprangen plötzlich sämtliche Passagiere an die Fenster. Überwiegend waren es Asiaten. Sie gafften, lachten und winkten uns freudestrahlend zu, während sie schamlos die zwei kuriosen Damen auf dem Fahrrad fotografierten. Doch wer wollte hier eigentlich wen fotografieren?

Am Abend erreichten wir das Alaska-Kaff  Cantwell. Schon viele Kilometer zuvor hatten wir uns auf den angekündigten Supermarkt mit all seinen Leckereien gefreut. Als wir dort ankamen entpuppte sich dieser jedoch nur als kleiner Shop mit Tankstelle. Ausgehungert und mit tropfenden Zähnen schlichen wir durch die Regale des kleinen Ladens, doch nirgends standen Preise. Egal..., denn wir benötigten dringend einige Lebensmittel und mussten unsere Vorräte aufstocken. Hinter dem Tresen stand ein alter Mann, der jedem Alaska-Klischee entsprach. Gegerbtes Gesicht, schlechte Zähne, ungepflegter Bart und furchtbar Maulfaul.

 

Als der Alte uns dann schließlich abkassierte, haute es uns jedoch von den Socken, denn für drei Packungen Hafer, 3 Tüten Studentenfutter, eine Tüte Rosinen, 1 Dose Tomatensoße und 4 Tafeln Schokolade wollte er nun 72 US $ von uns haben. Widerwillig bezahlten wir den horrenden Betrag an den knauserigen Typen und bekamen wenigstens noch das Benzin für unseren Kocher geschenkt.

Alaskas Zugstrecken zählen zu den spektakulärsten der Welt.
Die coole Alaska Railroad war auf unserer Reise allgegenwärtig.
Alaska Railroad
Seit 1923 verbindet die 750km lange Bahnlinie Seward mit Fairbanks, Whittier und Anchorage.

USA - Alaska (14. Juni 2018)

 

Regeln in der Wildnis 

 

In Alaska übernachteten wir auf den Weg nach Fairbanks, oft mitten im Wald in der Nähe des Highways.

Wenn wir des Abends unser Tagesziel erreichten, dann hatten wir meistens die Gelegenheit, uns in einem eiskalten Bach oder Fluss mit sauberen und klaren Bergwasser zu waschen. Anschließend stellten wir unser Zelt zum Schutz vor den Bären etwas abseits der Flüsse und Bäche auf und kochten daraufhin erstmal einen heißen Tee und etwas gutes zu essen. Auch hierbei war zu beachten, das man sich weit genug vom Zelt (circa 100 m) befinden sollte.

Bevor wir nach einem langen Radtag selig in unsere Schlafsackfedern fallen konnten, mussten jedoch die gesamten Lebensmittel (inklusive Zahnpasta) Bärensicher in einer der Radtaschen verpackt und möglichst hoch in einen Baum gebunden werden. Dafür hatten wir folgende Technik entwickelt:

Als erstes suchten wir einen Baum mit einem stabilen Ast, der weit genug vom Zelt entfernt war (circa 50 - 100m). Anschließend nahmen wir ein dünnes Seil, an deren Ende wir einen kleinen Karabiner angebracht war. An diesen Karabiner befestigten wir unseren Kochtopf und versuchten ihn anschließend über den entscheidenden Ast im Baum zu werfen. Wenn der Topf der an dem Seil hing dann allerdings auch nach dem zehnten Wurf nicht über’n Ast war, kam bei uns schon mal Stimmung auf. Dann blafften wir uns an und sagten so etwas wie: „Jetzt lass mich mal ran! Du kannst das nicht...!!!“

Wenn das Seil dann endlich auf dem Ast des Baumes platziert war, nahmen wir den Topf vom Karabiner und befestigten daran stattdessen die schwere Radtasche, in der sich in der Regel Lebensmittel für eine ganze Woche befanden. Daraufhin begann das Tauziehen zu zweit, um das Monster in den Baum zu hieven.

Mit ein bisschen Glück hielt der Ast die schwere Last aus. Wenn er jedoch zerbrach, begann das ganze Spiel von vorn. Man kann sich sicherlich vorstellen wie gut die Stimmung zwischen uns beiden dann erst war...

Irgendwann trafen wir auf dem Alaska Highway den alten Rad-Haasen Paul. Paul war Kanadier und ein netter, sympathischer „grauer Nomade“,  der schon seit den Siebziger Jahren mit seinem Rad unterwegs war. Für uns hatte er einige Geschichten und Tipps auf Lager. So erzählte er zum Beispiel, dass Bären ziemlich gut klettern können. 

Eines Tages traute er seinen Augen nicht, als er einen Grizzlybären einen Telegraphenmast hinaufklettern sah und empfahl uns deshalb unsere Lebensmittel besser unter einer Brücke, möglichst über der Uferseite, anstatt in einem Baum zu befestigen. 

Ein guter Vorschlag den wir gerne beherzigen wollten, doch leider fanden wir nur selten Brücken. Wir hievten die Tasche mit den Lebensmitteln also weiterhin jeden Abend in den Baum, obwohl wir genau wussten das der Bär sich schlapp lachen würde, wenn er sie findet.

Unsere Route führte entlang des berühmten Denali Nationalpark. Der Denali (von 1917 bis 2015 offiziell Mount Mc Kinley) ist mit 6190 Mertern Höhe der höchste Berg Nordamerikas. Er gehört zu den SevenSummits, den jeweils höchsten Bergen der Welt.
Im Hintergrund der mächtige Denali (Mout Mc Kinley). 

USA - Alaska (20.-22. Juni 2018)

 

Unterwegs mit Fabio 

 

Auf dem Zeltplatz in Tok lernten wir einen netten Italiener namens Fabio kennen. Auch er war mit einem Reiserad durch Alaska unterwegs. In den darauffolgenden Wochen wollte Fabio noch bis hoch nach Inuvik, jenseits des nördlichen Polarkreises Radeln. 

Als er auf dem Campingplatz in Tok eintraf, sah er jedoch ziemlich fertig aus. Wie wir erfuhren war er die Tage zuvor mit zwei alten, hageren und langbärtigen Amerikanern unterwegs, die wie er sagte einen Affenzahn drauf hatten und wenn überhaupt dann nur zum Pinkeln anhielten. Statt Wasser tranken die Alten Männer nur Bier aus Dosen.

In den nächsten Tagen wollte Fabio allerdings wieder alleine weiter und genau wie wir den Weg über den Top of the World Highway nehmen.

Als Fabio sich am nächsten Morgen auf dem Zeltplatz von uns verabschiedete meinte er, dass wir uns auf der Strecke sicherlich noch sehen würden. „Nein, ganz bestimmt nicht!“ antworteten wir, denn so schnell waren wir sicher nicht. Nach dem Frühstück packten wir gemütlich unsere Sachen zusammen, während Fabio schon auf der Strecke war. Uns war klar, dass die nächsten Tage ausgesprochen hart werden würden, denn auf dem Top of the World Highway warteten einige lange Abschnitte Schotterpiste, steile Anstiege, Kälte, Regen und eventuell auch Schnee. Mit einiger Besorgnis radelten wir deshalb in Tok los.

In Alaska waren wir es bis dahin gewohnt an jeder Ecke Wasser in klaren Bächen oder reißenden Flüssen zu finden. Doch nun wurde es um uns herum plötzlich ungewohnt karg und trocken. Die Landschaft bestand fast nur noch aus toten Baumstümpfen. Darauf waren wir nicht gefasst. Unser Wasser wurde knapp. Ächzend und laut fluchend kurbelten wir uns den Highway trotzdem weiter nach oben. 

Irgendwann am Nachmittag trauten wir jedoch unseren Augen nicht, als wir unverhofft wieder auf unseren italienischen Freund trafen, der am Rande des Highways dösend auf einem Kieshügel lag. Scheinbar waren wir Radmiezen doch nicht so langsam wie wir dachten. Daraufhin klingelten wir Fabio feigst und kichernd wach. Auch er war nun freudig überrascht uns zu sehen. Gemeinsam radelten wir weiter, bis wir am Abend überglücklich einen Bach mit sauberem Wasser fanden, an dem wir unser Nachtlager aufschlugen.

 

Auch in den darauffolgenden Tagen ritten wir zu dritt über den Top of the World Highway. Bei schönstem Wetter und hochsommerlichen Temperaturen, schraubten wir uns schwitzend Kilometer für Kilometer die Berge hinauf, während sich die Landschaft um uns herum allmählich veränderte. Die Fahrt führte nun vorbei an dunklen, unberührten Wäldern und reißenden, klaren Flüssen. Es war jetzt nicht mehr so karg und trocken. Auf dem Highway blieb es die meiste Zeit ruhig. Nur ab und zu fuhren Motorräder und überdimensionale rollende Campinghäuser an uns vorbei. Immer wieder staunten wir nicht schlecht über diese riesigen Kolosse, denn nicht etwa die Autos zogen den Camper, sondern der Camper zog den Geländewagen das Boot und die Fahrräder die meist am Heck dekoriert waren, hinter sich her.

Unterwegs mit unserem italienischen Freund Fabio.

Spaßige Tage. Zusammen mit Fabio ritten wir über den Top of the Word Highway. 

We are the Champions... :)

USA - Alaska (23. Juni 2018)

 

Chicken

 

Am darauffolgenden Tag erreichten wir den kleinen Ort Chicken (Hühnchen). Ein kleines Goldgräber-Kaff in dem sich auch heute noch Frauen und Männer mit Gummistiefeln, Spaten, Spitzhacken und Eimern bewaffnen, um sich auf die Suche nach den begehrten Nuggets zu machen. Schon Ende des 18. Jahrhunderts schürften die Menschen in Chicken und Umgebung nach Gold. Bis zu 400 Abenteurer hielten sich zeitweise in dem kleinen Ort auf. In den Hochzeiten des Goldrausches gab es jedoch nur wenig zu essen, deshalb gingen die Menschen auf die Jagd und schossen Vögel deren Namen sie nicht kannten. Da diese jedoch wie Hühnchen schmeckten, verliehen sie dem Ort 1902 ihren Namen. Heute ist Chicken ein beliebtes Ziel für Touristen, die zwischen dem Yukon und Alaska unterwegs sind.

 

Auf dem Zeltplatz in Chicken kochten wir am Abend gemeinsam mit Fabio Pasta. Dazu gönnten wir uns ein kühles Bier. Nach dem Essen machte sich unser italienischer Freund dann schließlich noch die Mühe, seine Radtasche die mit jeder Menge Lebensmitteln gefüllt war, zum Schutz vor den Bären hoch in einen der Bäume zu hängen. Wir Radmiezen hingegen waren zu faul und wollten uns wenigstens einmal den allabendlichen Zirkus ersparen. Zudem hatten wir auch nicht das Gefühl das Bären wirklich in der Nähe waren. 

Als Fabio dann am nächsten Morgen seine Radtasche wieder vom Ast liess, war diese völlig zerrupft und zerfressen. Unhöflicher Weise begannen wir Mädels daraufhin laut zu lachen, denn nicht etwa ein Bär sondern dreiste Eichhörnchen hatten sich über Fabios bunten Knabberspaß im Baum hergemacht.

Goldgräberstimmung in Chicken.

USA - Alaska (24. Juni 2018)

 

Das gespenstische Boundary

 

Auf der Fahrt nach Boundary entdeckten wir im Straßengraben eine große Tasche. Wir gingen in die Eisen, stellten unsere Räder bei Seite und sahen uns das Fundstück zusammen mit Fabio genauer an. In der Tasche befanden sich jede Menge Klamotten, Lebensmittel und einige Dosen Bier. Vermutlich war die Tasche unbemerkt von einem Motorrad gefallen. Wir überlegten was wir damit nun tun sollten. Als wenig später ein Auto den Highway entlang kam, stoppten wir es und baten den Fahrer die Tasche für uns an der Grenze abzugeben. 

Nach einem langen und kräftezehrenden Tag auf dem Rad, erreichten wir gegen Abend schließlich den Ort Boundary. Schon als wir die lange Abfahrt dorthin, mit über vierzig Sachen hinunterpreschten, sahen wir aus der Ferne die Landepiste für Flugzeuge und die naheliegende Siedlung. Wir freuten uns riesig, denn sicher konnten wir dort unser Nachtlager aufschlagen und würden mit etwas Glück, sogar ein kühles Getränk kaufen können.

Doch als wir Boundary mit seinem kleinen Flughafen erreichten, war er verlassenen und gespenstisch still. Ein Geisterort wie man ihn nur aus der Glotze kennt. Verlassene Häuser, knarrende Türen, Kinderfahrräder die im Gras lagen und Autos die mit von Gewehren zerschossenen Windschutzscheiben vor sich hinrosteten.

 

In dem unheimlichen Ort gab es eine ausgediente Tankstelle mit nostalgischen Zapfsäulen und einige uralte, moosbedeckte Blockhäuser, deren Dachbalken zum Teil schon gebrochen waren und verdächtig laut knarrten. Trotzdem betraten wir neugierig eines dieser Häuser und gingen hinein. Vorsichtig tasteten wir voran und sahen uns die verbliebenen antiken Gegenstände an. Ein verstaubtes Klavier, ein alter Ofen und eine nostalgische alte Kasse. Auf dem Fußboden lagen leere Flaschen, Werkzeuge und jede Menge verstaubte Kleidungsstücke. Die geisterhafte Siedlung erinnerte an einen Horrorfilm von Stephen King. Ein Ort den die Menschen aus irgendeinem Grund fluchtartig verlassen hatten. Wir liefen noch eine Weile umher und fotografierten. Danach beschlossen wir unser Zelt besser nicht an diesem mysteriösen Platz, sondern besser auf der anderen Seite des Highways aufzustellen.

Das gespenstische Boundary. Ein geisterhafter Ort.
Vom Einsturz bedrohte Häuser, rostende Autos und eine nostalgische Tankstelle. (Boundary)
Coole Oldtimer rosteten in Boundary vor sich hin.
In der verlassenen Siedlung lagen überall nostalgische und antike Gegenstände umher.
Der geisterhafte Ort sah aus als wäre von seinen Bewohnern fluchtartig verlassen worden...
Filmreife Kulisse in Boundary.
Autos mit von Gewehren zerschossenen Windschutzscheiben in Boundary.
Zelten mit Fabio. Unsere letzte Nacht in Alaska.